Hinweis: Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus: Effekte einer fünfwöchigen E-Learning Intervention auf die Emotionale Kompetenz, Hövelborn, 2018
Lo und Repin (2002) führten eine Studie mit zehn professionellen Tradern durch, welche pro Tag ca. 100 Trades mit jeweils einer durchschnittlichen Größe (Handelsvolumen) von 3 bis 5 Mio. $ ausführten. In einem sehr aufwändigen Versuchsaufbau wurden die ausgewählten physiologischen Parameter mit den Marktinformationen synchronisiert und auf Zusammenhänge ausgewertet. Dabei konnte ein statistisch signifikanter Unterschied der Hautleitfähigkeit bei Marktevents herausgefunden werden. Eine erhöhte Marktvolatilität, also eine größere Schwankungsbreite der Assets, stand im Einklang mit Veränderungen der kardiovaskulären (Herz-Gefäßsystem betreffende) Parameter. Darüber hinaus vermuteten die Autoren, dass die unterschiedlichen physiologischen Veränderungen der Trader mit deren Erfahrung zusammenhängen.
Weitere Fallstudien von Steenbarger (2004) zeigen vor diesem Hintergrund ähnliche Ergebnisse. Individuen mit größeren emotionalen Reaktionen, haben schlechtere Ergebnisse und weniger Erfolg im Trading, unabhängig davon, ob der Trade ein Gewinner oder Verlierer war. Gleiche Ergebnisse konnten in einer weiteren Studie festgestellt werden (Lo, Repin & Steenbarger, 2005). Die reaktiven Emotionen stehen somit im negativen Zusammenhang mit der Leistung im Trading. Biais, Hilton Mazurier und Pouget (2005) stellten den negativen Einfluss von Übereinschätzung und den positiven Einfluss von Selbstkontrolle in Bezug auf die Leistung im Trading heraus. Wie bereits im Beitrag zur Behavioral Finance beschrieben, ist es essentiell, die geplante Nische eines Trades in der Realität umzusetzen.
Diesbezüglich stellt der Dispositionseffekt ein großes Problem für Trader dar. Dieser beschreibt das vorzeitige Aussteigen bzw. Verkaufen einer Gewinnerposition und das unnötige Aufrechterhalten einer Verliererposition. Eine mögliche Begründung dieses Phänomens liegt in der Erwartungstheorie von Kahneman und Tversky (1979), welche eine S-förmige Wertefunktion darstellt und Gewinne und Verluste dem jeweiligen Wert zugeordnet werden (Abbildung 1).
Entscheidend dabei ist der steilere Verlauf im Bereich der Verluste, was auf eine höhere Wertschätzung und demnach auf eine Risikoaversion hinweist. Dieses Konstrukt konnte später von Odean (1998) bei der Auswertung von 10.000 Handelskonten bestätigt werden. Diese Ergebnisse gehen mit der Idee einher, dass Gewinne, auch wenn sie klein sind, das Selbstvertrauen stärken, während das Realisieren von Verlusten schwerfällt, auf eine Wendung in der Position gewartet wird oder komplett vermieden wird.
Durch dieses psychologische Phänomen wird das Chance-Risiko Verhältnis nachhaltig manipuliert, was zu einem unprofitablen Geschäft führen kann.
Die Verlustaversion stellt somit ein zentrales, psychologisches Problem unter Tradern dar. Um eine mögliche Reduzierung der Verlustaversion zu überprüfen, führten Sokol-Hessner und Kollegen (2009) eine Studie durch, bei der eine Neubewertungsstrategie angewandt wurde. Das Verhältnis der Bewertung von Verlierern und Gewinnern lag im Pretest wie zu erwarten stärker auf der Verlustseite. Durch eine Instruktion zur Emotionsregulation konnte eine signifikante Verbesserung hinsichtlich des Koeffizienten der Verlustaversion gemessen werden. Den expliziten Übertrag der EK auf den Bereich des Tradings brachten Ameriks, Wranik und Salovey (2009). Mithilfe des ability EI Test von Mayer et al. (2002) fanden sie heraus, dass sich einige der bereits als positiv herausgestellten Faktoren, wie z.B. eine geringere Häufigkeit neuer Trades, auf die EK zurückführen lassen. Es besteht daher ein positiver Zusammenhang zwischen der Emotionaler Kompetenz und der Trading Leistung.
Eine weitere Frage, mit der sich die Wissenschaftler beschäftigen, ist, ob Trader rational über ihre Fähigkeiten lernen. Grundlage für diese Frage waren zwei Studien, bei denen rationale Lernmodelle aufgestellt wurden. Ein neuer Trader entscheidet laut dem Modell rational, das Trading für sich zu testen, um zu schauen, ob er die Fähigkeiten zum erfolgreichen Trading besitzt (Linnainmaa, 2011; Mahani & Bernhardt, 2007). Eine 15-jährige Längsschnittstudie (Barber, Lee, Liu & Odean, 2010) untersuchte in dieser Beziehung das Lernverhalten von Daytradern. Dies sind Trader, welche ihre Geschäfte innerhalb eines Tages öffnen und wieder schließen. Es konnte gezeigt werden, dass 80 % aller Daytrader innerhalb der ersten zwei Jahre, hier besonders die Individuen mit schlechter Leistung, mit dem Trading wieder aufhören. Die Positionsgrößen und damit einhergehend das Risiko werden in Folge einiger Gewinnertrades ebenfalls vergrößert, was sich durch das übermäßige Vertrauen begründen lässt. Die erfolgreichen Individuen lagen in der gesamten Trading Population bei unter einem Prozent.
Die Ergebnisse dieser Studie sind konträr. Auf der einen Seite kann von einem rationalen Lerneffekt gesprochen werden, da besonders Individuen mit starker Verlustvergangenheit mit dem Trading aufhören. Bei Betrachtung der Gesamtprofitabilität der zugrundeliegenden Trader des Taiwanischen Marktes zeigt sich, dass die Summe der zu erwartenden Gewinne auf Lebenszeit negativ ist. Selbst die erfolgreichen Akteure können die Chancen nicht genügend nutzen, wodurch sich im Gesamtbild eine durchweg negative Erwartung für neue Trader ergibt. Dies stellt einen Unterschied zum Modell von Mahani und Bernhardt (2007) dar, bei dem es, im Gesamtbild betrachtet, eine positive Erwartungshaltung für neue Trader ergibt. Diese Erwartungshaltung setzt sich wie folgt zusammen: Erfolgreiche Trader machen für zehn Jahre 1 € Gewinn pro Jahr, während weniger erfolgreiche Trader 1 € verlieren bis sie aufhören. Bei Nutzung der Erkenntnis, dass nur 1 % aller Trader (bezogen auf die Daten im taiwanischen Markt) erfolgreich sind, lässt sich somit folgende Gleichung aufstellen (vgl. Barber et al., 2010).
Die kleine erfolgreiche Population muss somit überdurchschnittlich große Gewinne einfahren und die Schwächen der erfolglosen Trader nutzen, damit sich in dieser Betrachtung des Gesamtbilds ein positiver Erhaltungswert abzeichnen kann. Die Autoren postulieren abschließend, dass rationale Lernmodelle, wenn überhaupt, nur einen Teil des Lernens im Daytrading erklären können. Diese Ergebnisse spiegeln einen Teil des Marktes in dem spezifischen Bereich des Daytradings wider. Hinsichtlich des Investings, also dem Kauf von Aktien über eine längere Halteperiode, konnten Seru, Shumway und Stoffmann (2010) basierend auf finnischen Daten von 1995 bis 2003 zeigen, dass die Investoren lernen und der Dispositionseffekt abnimmt. Ferner zeigen sie auf, dass die Anzahl aller bereits getätigten Trades ein besseres Maß für die Erfahrung ist als die Anzahl der Jahre im Markt.
Zusammenfassend lassen sich aus der vorhandenen Literatur zwei entscheidende Kernaussagen treffen. Zum einen wurde der irrationale Anteil der Entscheidungsfindung beim Trading deutlich, welcher durch unterschiedlichste Erscheinungsweisen die, zumindest mathematisch, einfache Zielstellung des erfolgreichen Tradings beeinflussen und zu Misserfolg führen. Dies wird nicht zuletzt durch die geringe prozentuale Anzahl erfolgreicher Trader bestätigt. Auf der anderen Seite zeichnet sich ein Forschungsdefizit im Zusammenhang spezifischer, wissenschaftlich basierter Interventionen für Trader ab. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die erfolgreichen Marktakteure, welche zum Großteil für Unternehmen arbeiten, wissenschaftliche Erkenntnisse und Techniken nutzen, diese Erkenntnisse aber nicht öffentlich publiziert werden. Dies ist nicht zuletzt der Ausbildungsstruktur und dem Wettbewerb zwischen den konkurrierenden Unternehmen geschuldet. So gibt es keinen wissenschaftlichen Studiengang für Trader. Alle Ausbildungen finden intern in den Unternehmen statt. Auf Grundlage der unterschiedlichen dargestellten Bereiche und Ergebnisse soll im Folgenden eine E-Learning Intervention erstellt werden, welche die Bedürfnisse und Probleme der Trader umfasst und basierend auf dem Profil der EK (Brasseur et al., 2013) die unterschiedlichen Domänen als Zielbereich und Trainingsgegenstand für mögliche Optimierungen nutzt.
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