Profitabel wetten: Warum Gewinnwahrscheinlichkeit allein nicht ausreicht

30. August 2017 (Vor 7 Jahren)

Das Streben nach Perfektion

80 Prozent Gewinnwahrscheinlichkeit: Jeder Mensch strebt nach Perfektion. Das Haar liegt nicht richtig, das Hemd ist nicht perfekt gebügelt und die Überraschungsfeier ist auch nicht so „perfekt“ gelaufen, wie man es sich vorgestellt hatte. Für unterschiedliche Charaktere sieht diese Perfektion völlig verschieden aus. Manchen ist es egal, wenn das Hemd nicht perfekt gebügelt ist, andere wiederum würden so nicht auf die Straße gehen. Es sind also die persönlichen Erwartungen und Anforderungen an sich selbst, welche das Streben nach Perfektion in unterschiedlichen Bereichen des Lebens und damit auch des Alltags formen. Äußere Einflüsse formen uns, seitdem wir das erste Mal das Tageslicht erblickten. Dazu gehören u. a. die Erziehung, eigene Erfahrungen, welche zu Freude und Schmerz geführt haben, sowie soziale Normen und Vorbilder.

Falscher Perfektionismus im Trading

Perfektion im Trading ist eine der größten Hürden, welche man nehmen muss, um vom unprofitablen zum profitablen Trader zu werden. Versuche ich mein Trading immer weiter zu perfektionieren, so werde ich zwangsläufig feststellen müssen, dass ich genau das Gegenteil von dem erreiche, was eigentlich mein Ziel war. Es geht einzig und allein darum, seinem getesteten Plan zu folgen. Dies kann im Sinne des erfolgreichen Tradings als „perfekt“ bezeichnet werden. Ich fokussiere mich ausschließlich auf mein Tun und nicht auf dessen Ergebnisse, welche im Trading nur im Längsschnitt zu betrachten sind. Mein Fokus liegt also ganz klar auf der stetigen Verbesserung der Prozesse – und nicht auf dem möglichen Ergebnis. Das Ergebnis verbessert sich von ganz allein, wenn man den Prozess verbessert.

Gewinnwahrscheinlichkeit vs. Profitabilität – der Unterschied

Die Vorstellung, eine möglichst hohe Gewinnwahrscheinlichkeit zu benötigen, um profitabel zu sein, ist eine Symbiose aus falschem Perfektionismus und Unwissenheit. Viele vermeintliche Trading-Mentoren werben mit hohen Gewinnwahrscheinlichkeiten, damit sie ihre profitablen Strategien häufiger verkaufen. Halt: Habe ich profitabel gesagt?

Genau dies ist der springende Punkt. Eine hohe Gewinnwahrscheinlichkeit heißt nicht, dass die Strategie auch profitabel ist. Es heißt zwar, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Trade zu gewinnen, bei 80 Prozent liegt, dennoch lassen wir dabei völlig außer Acht, wie viel wir im Durchschnitt gewinnen und verlieren. Genau an dieser Stelle kommt der sogenannte Profitfaktor ins Spiel. Ein echtes Maß dafür, ob eine Strategie wirklich profitabel ist oder eben nicht!

Der Profitfaktor gibt darüber Aufschluss, ob sich eine bestimmte Investition gelohnt hat oder nicht. Sie setzt dabei das erwirtschaftete Kapital (Gewinn) ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital. Das Ergebnis des Profitfaktors sagt aus, wie viele Geldeinheiten wir pro investierter Geldeinheit durch die Investition erhalten haben. In der Wirtschaft ist der Faktor besser unter Return on Investment (deutsch: Kapitalrendite, abgekürzt ROI) bekannt und dient dort auch als Bewertungsgrundlage, ob eine Investition sinnvoll und richtig war und ob sie die Erwartungen erfüllt hat.

Berechnung des Profitfaktors

Der Profitfaktor berechnet sich aus zwei Bestandteilen zusammen: der Gewinnwahrscheinlichkeit und dem Chance-Risiko-Verhältnis (CRV). Die Gewinnwahrscheinlichkeit – oder auch als Trefferwahrscheinlichkeit bekannt – ist das Verhältnis zwischen der absoluten Anzahl der Gewinner-Trades und der absoluten Anzahl der Verlierer-Trades. Das Chance-Risiko-Verhältnis beschreibt das Verhältnis zwischen der Höhe deiner durchschnittlichen Gewinne und der Höhe deiner durchschnittlichen Verlierer. Daraus ergibt sich die folgende Formel:

Profitfaktor = (Anzahl Gewinner / Anzahl Verlierer) x (durchschnittliche Höhe der Gewinne / durchschnittliche Höhe der Verlierer)

Ist der Profitfaktor gleich 1, bedeutet dies, dass du 1 € in einen Trade investierst und 1 € zurückbekommst. Du hast weder gewonnen noch verloren. Wenn dein Profitfaktor kleiner als 1 ist, bekommst du weniger zurück als das, was du eingesetzt hast. Das würde also bedeuten, dass dieses System nicht profitabel wäre. Ergibt die Rechnung einen Wert von größer als 1, bedeutet dies, dass wir mehr bekommen, als wir investiert haben. Wir machen also Gewinn. Unsere Strategie wäre damit also profitabel.

Beispiel 1: Gewinnwahrscheinlichkeit von 80 %

Nehmen wir im ersten Beispiel mal an, dass wir in 80 % der Fälle gewinnen, unsere durchschnittlichen Gewinner-Trades aber geringer sind als unsere durchschnittlichen Verlierer-Trades. Eingesetzt in die Formel ergibt dies folgende Berechnung:

    (Anzahl Gewinner / Anzahl Verlierer) 
x   (durchschnittliche Höhe der Gewinne / durchschnittliche Höhe der Verlierer)
=   (80 / 20) x (6 / 10)
=   2,4

Diese Beispielrechnung ergibt einen Profitfaktor von 2,4. Das bedeutet also, dass wir für jeden investierten Euro, 2,40 EUR als Gewinn erwirtschaften. Unsere Strategie wäre in diesem Fall profitabel.

Beispiel 2: Gewinnwahrscheinlichkeit von 45 %

In einem weiteren Beispiel verschlechtert sich die Gewinnwahrscheinlichkeit deutlich und beträgt nur noch 45 %. Gleichzeitig erhöht sich aber das CRV drastisch auf 2,93. Letztlich ausgedrückt bedeutet dies, dass wir insgesamt weniger häufig gewinnen, doch wenn wir dann gewinnen, sind die Gewinner deutlich größer als unsere Verlierer. Wenn wir diese Werte in die Gleichung einsetzen, ergibt sich folgendes Bild:

Profitfaktor = (Anzahl Gewinner / Anzahl Verlierer) x (durchschnittliche Höhe der Gewinne / durchschnittliche Höhe der Verlierer)Profitfaktor = (45 / 55) x (29,30 / 10)Profitfaktor = 2,4

Obwohl das zweite Beispiel eine deutlich niedrigere Gewinnwahrscheinlichkeit hatte als das erste Beispiel, ist der Profitfaktor bei beiden identisch. Das liegt am zweiten Term der Gleichung, dem Chance-Risiko-Verhältnis. Dieser ist im zweiten Beispiel deutlich besser.

Zusammenfassung

Letztlich zeigt dieser Vergleich der beiden Berechnungen, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit kein geeigneter Indikator dafür ist, wie erfolgreich eine Strategie ist. Denn Gewinnwahrscheinlichkeit heißt nicht explizit "gewinnen". Erst in Verbindung mit dem Chance-Risiko-Verhältnis wird eine Gewinnwahrscheinlichkeit zu einem Kriterium, um verschiedene Strategien miteinander vergleichen zu können. Daher vergleiche stets den Profitfaktor miteinander – und nie nur die Gewinnwahrscheinlichkeit oder das Chance-Risiko-Verhältnis. Außerdem stellt das Chance-Risiko-Verhältnis die eindeutig bessere Stellschraube dar, um deinen Profitfaktor zu erhöhen.

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